Donnerstag, 7. Januar 2016
Csar und Kleopata
Ein Engel mit einem alten faltigen Frauengesicht rauscht heran, barhäuptig, unansehnlich. „Schaue Er mich nicht so widerlich an! Früher hätte ich so etwas köpfen lassen!“
„Und so etwas hätte man gar nicht erst auf die Straße gelassen!“, giftete ich zurück.
„Ihr sprecht mit der Zarin von Russland!“, geiferte sie und versuchte mich mit ihren Flügeln zu treffen, erkennend, dass sie ja Luft waren, um dann mich anzugreifen.
„Man spricht übrigens recht gut von Euch. Na gut, Eure Liebschaften, dass Ihr Euren Mann beseitigt habt, aber nur dadurch wurde Russlands Macht gestärkt und der Fortschritt hielt Einzug!“
„Sehr richtig! Was wäre Putin ohne mich!?“
„Lassen wir mal den Putin außen vor …“
„Lenin, ja Lenin, der sitzt mit Marx zusammen und diskutiert jeden Hustenanfall von Putin.“
„Und Sie hören da zu?“
„Was soll man sonst machen? Aber das wird Er schon noch lernen!“
„Übrigens, was hat Coco Chanel zu Eurer Frisur gesagt?“
„Warum hat Er es hierher geschafft, Seine Impertinenz!“
„Mal ehrlich, was ist passiert?“
„Mal schon was von Krätze und Flöhen gehört? Das war echt nervend, ist ja nun vorbei. Überhaupt diese Perückenmode! Auch Sein Outfit taugt wenig, um vor Schülern zu bestehen, hat man Ihn nicht stets verlacht?“
„Wenn ich so eine Goldschatulle gehabt hätte, wie Ihr, da hätte ich …“
„Hätte!“, lacht sie häßlich mit ihrem Mund aus dem noch häßlichere Zahnstümpfe ragten.
„Eine labbrige Jeanshose, labbriges T-Shirt „Fuck you“, da hätte nicht mal ein Schloß voll Gold gereicht, Ihm Geschmack einzuhauchen!“
„Und Eure Zahnstümpfe!“, meckerte ich zurück.
Goethe stand neben uns und amüsierte sich köstlich.
„Schon mal beim Zahnreißer gewesen? Echt spaßig, darf ich Ihm versichern!“, weg war sie und ein weiterer Engel schwebte heran, fraulich, hübsch und jung.
„Er hat meine Freundin beleidigt!“, sang sie mit feinster Stimme, dennoch recht zornig, „ich sag es meinem Cäsar! Mephisto ist ihm noch was schuldig, zur Hölle mit ihm!“
„Kleopatra?“, fragte ich vorsichtig.
„Wer sonst!“, gab sie beleidigt Auskunft.
„Ich hatte eben ein falsches Bild …“
„Ihr achtet nicht die Menschen, seht nur deren Äußeres! Im Bad vom Teer, wo Euch da die Haut vom Leib gerissen, werdet Ihr das Innere des Menschen schnell begreifen!“
„Glaubt Ihr denn der „Göttlichen Komödie“?“
„Ihr werdet es erfahren!“
„Schon gut, laßt mal den Cäsar mit seinem Brutus weiter zanken, während wir doch mal ein paar nette Engel besuchen könnten. Euer Gesicht gefällt mir ausgezeichnet, bis auf die beiden kleinen Einstiche in der Hand. Tat es sehr weh, der Schlangenbiss?“
„Wieso darf so ein Trampel hier oben weilen? Hitler und Stalin sind schon eine Zumutung, aber der hier, der ist das Allerletzte! Ein Flegel! Cäsar!“
Jetzt wurde es gefährlich, oder hoffentlich nicht!
Da kam er auch schon herbeigeflogen, recht markantes Gesicht, wenn auch ohne Lorbeerkranz.
„Mein Geliebter, dieser Wurm hier, ein Teutone noch dazu …“
„Sprich nicht weiter Liebes, Teutonen, Verräter, mir in den Rücken zu fallen im eisigen verregneten Germanien, dafür, dass ich ihnen Kultur brachte, …“
Da mußte ich mich aber einmischen: „Kultur mit Schwertern einzuprügeln …!“
„Ha, in Hütten haben sie gehaust, gestunken haben sie, Vielweiberei, …“
„Und warum wollte man Eure sogenannte Kultur nicht? Kultur kann man niemandem aufzwingen!“
„Da will mich ein Schulmeister belehren, der Angst davor hat, sein Klassenzimmer zu betreten, weil er keine Ahnung hat von dem, was er vermitteln soll.“
„Was meinen Sie damit?“, wollte ich erzürnt wissen.
„Lehrt, dass unser Altmeister hier,“, er wies auf denen neben uns umherfliegenden Goethe, „dass er rückständig gewesen sei und nie akzeptiert hätte, dass Demokratie geheißen hätte, ihn als Minister abzusetzen, wo er doch nur von einer Liebschaft zur anderen reiste.“
„Klar!“, rechtfertigte ich mich, „Der hat doch seinen Posten nur bekommen, weil er aus adligem Hause war und tun musste der gar nichts! Wenn ich da heute …“
„Halte er sein dummes loses Maul!“, tobte Cäsar, „Hat er denn immer noch nicht begriffen, dass alles im zeitlichen Kontext zu sehen ist. Alles entwickelt sich! Außer Ihr natürlich! Labert was von Ressourceneinsparung und spielt den „Zauberlehrling“ nach, setzt dabei fast das ganze Schulhaus unter Wasser!“
„Das wollte ich nicht, aber der Toni …!“
„Hör Er doch auf! Denken! Überlegen! Ein Gleichnis als Theaterstück, da braucht es Genie, Phantasie, Visionen und keinen plumpen Aktionismus.
Was hat es Ihm gebracht? Zurecht man ihn verlacht, gar abgemahnt der Dummheit wegen!“
Jetzt wandte ich mich an Goethe selbst: „Nun, mein Herr! Was sollte das mit dem Zauberlehrling? Dem Meister nicht widersprechen, immer nur gehorchen, nie eigene Erfahrungen machen?“
„Er rafft es nicht! Dumm geboren, dumm geblieben! Nie gelernt zu denken, sein Tun zu prüfen, sich zu hinterfragen. Ein Lehrer sollt er wirklich nicht mehr sein. Mephisto, ich muss Dich heute sehre loben! Hast recht getan, den Stuhl hinwegzuziehn, auf den er übermütig sich doch stellte. Kommt Ihm bekannt nicht vor das Ganze, einfach stur getan, was Ihm kam in den Sinn? Wollt klüger sein, als vor ihm alle und flattert um uns rum noch viel zu früh, denk ich.“
„Sie sind hart, großer Meister.“

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